Also, ich hab mir für den 200 Beitrag hier im Forum mal was besonderes überlegt...mein schönstes Erlebnis in Vorupör...ist etwas persönlicher als die anderen meiner Beiträge hier aber ich denke, hier ist es sehr gut aufgehoben
Dieser Beitrag ist eher was für Romantiker, denn was könnte einem in Vorupör schöneres passieren, als dort seine erste grosse Liebe kennenzulernen.
Man kennt ja die üblichen Urlaubsflirts, die sowohl körperlich als auch gedanklich am Abreisetag beendet sind. Schnell hat man sich mit dem Gedanken abgefunden, das es eben nur eine Urlaubsromanze war, die nichts weiter ist als eine schöne Erinnerung.
Das was ich im zarten Alter von 17 Jahren in Vorupör erleben durfte, war mehr als nur ein Urlaubsflirt und so schön es auch anfing, so tragisch endete es auch.
Damals wohnte ich mit meinen Eltern in der Nordsovej 62 und ca. 100 Meter weiter auf derselben Seite befinden sich 2 riesige doppelstöckige Luxushäuser, die meiner Erinnerung nach schwarz waren und einem deshalb und auch wegen der Größe schon auffallen müßten.
Am ersten Urlaubstag war ich im Cafeen, um ein Frühstück zu mir zu nehmen. Es war Hauptsaison und es war brechend voll. Auch draussen tummelten sich die Leute auf den Holzbänken und tranken ihr Bier, fasziniert vom tollen Wetter und dem regen Treiben auf der Mole, wo Angler ihre Ruten auswarfen, um Makrelen aus der ruhigen Nordsee zu ziehen.
Als ich draussen endlich einen Platz gefunden hatte, setzte sich einer der Surfer vom Strand neben mich, lächelte mir zu und stellte sich auch direkt vor. Im weiteren Vorlauf unterhielten wir uns recht interessiert in einer abenteuerlichen Mischung aus Englisch und einer anderen Sprache, die ich irgendwie nicht im geringsten einordnen konnte.
Mit der Zeit fand ich dann heraus, das die andere Sprache norwegisch war. Wahrscheinlich hatte er in dem Gespräch auch mal den Nachnamen oder den Namen seiner Heimatstadt genannt aber ich hatte ihn beim besten Willen nicht raushören können. Irgendwann setzten sich dann weitere Leute an den Tisch, die ich im weiteren Verlauf als seine Freunde oder Geschwister ausmachen konnte.
Eines der Mädels, das sich mit an den Tisch gesetzt hatte, hiess Reikje, 21 jahre alt, also satte 4 Jahre älter als ich und unglaubliche 12 cm größer als ich....aber wenn sie saß war es mir ja egal...ggg
Sie hatte tolle blaue Augen, in denen man wirklich versinken konnte und ein Lächeln das ich bis zum damaligen Zeitpunkt noch nie gesehen hatte. Allein schon dieses natürliche Lächeln wäre ein Grund gewesen, sich in sie zu verlieben. Ausserdem hatte sie wie wahrscheinlich viele Norwegerinnen lange blonde Haare. Aber was sie ganz entscheidend ausgemacht hatte, war ihre natürliche Art. Wenn man gerade durch seine pupertäre Phase erfolgreich durchgekommen ist, hat man schon viele Charaktere kennengelernt. Die meisten dieser Charaktere zielten aber damals wie wahrscheinlich heute auch noch darauf ab, sich so toll wie möglich zu präsentieren, sich von der besten Seite zu zeigen und von allen gemocht zu werden. Dadurch hat die eigene Darstellung aber eher etwas künstliches, was nicht zum wirklichen Charakter passt.
Und genau das war der Unterschied, der sie von anderen Frauen trennte. Sie war so wahnsinnig natürlich, so natürlich das man es gar nicht genau beschreiben kann. Alles was sie tat oder sagte, war interessant. Es war so wahnsinnig ehrlich, das man es für einen Traum hätte halten können. Als wir uns näher unterhielten und zwar stundenlang, konnten wir vieles übereinander erfahren und egal wie langweilig ich meine Themen in diesen Gesprächen fand, so interessant schien sie diese zu finden.
Ich meine mit Interesse nicht dieses übliche Gerede von wegen 12 mal in einem Atemzug "Ja" und "Ich verstehe" zu sagen, sondern ich meine wirkliches Interesse. Sie schien nicht nur verdammt gut zuhören zu können sondern diese Dinge interessierten sie wirklich und sie zeigte es mit jeder Mimik oder Reaktion. Das war zweifelsohne etwas, das ich noch bis heute nicht bei vielen Frauen erlebt habe, sie schien mich zu verstehen. Sie ging an diesem Tag auf alles ein und selbst Gesprächsthemen wie das heimische Wetter, Bundestagswahlen oder die aktuelle Fussballtabelle wurden zu einem echten Happening.
Ich hatte es bis zu diesem Zeitpunkt noch nie erlebt, das sich jemand so sehr für meine Gedanken interessierte und ich hatte mich selten so wohl gefühlt wie an diesem Tag.
Direkt am nächsten Tag trafen wir uns wieder und verbrachten die meiste Zeit in den Dünen (auf der besagten Bank ca. 100 Meter links von der Mole...gg)
Manchmal fiel es mir wirklich schwer mich auf bestimmte Themen zu konzentrieren, denn da war ihr sagenhaftes Lächeln und diese tollen Augen, die mich immer wieder voll in Beschlag nahmen und mir jegliche Konzentration raubten.
Abends gingen wir noch mit ihren Geschwistern in den Anker und hatten sehr viel Spass. Wir lachten sehr viel und amüsierten uns königlich. Gegen 3 Uhr beschlossen wir, noch einmal Richtung Strand zu marschieren und uns noch ein wenig dahin zu hocken. Allerdings kamen wir nicht mehr bis zum Strand denn plötzlich bemerkte einer aus unserer Gruppe den enormen Sternenanteil am Himmel. Es war eine klare und durchaus laue Nacht mit einem Ausblick auf Sterne, die man wahrscheinlich nirgendwo anders auf der Welt sehen konnte. Zumindest kam es uns so vor. Wir beschlossen also kurzerhand uns einfach auf die Strasse zu legen und die Sterne zu beobachten. Sicherlich hätte es bequemere Stellen zur Sternenbeschau gegeben, aber wenn man eine spontane Idee hat, sollte man diese auch spontan umsetzen.
Wir lagen also da mit insgesamt 7 Leuten mitten auf der Strasse und beobachteten die Sterne, ein wahres Meer von Sternen. Ich fasste Reikje an die Hand und wir lagen über eine halbe Stunde dort und wollten uns eigentlich gar nicht mehr loslassen. Es war so ein unglaubliches Gefühl von Wärme das man wohl mit menschlichen Worten gar nicht beschreiben kann. Ich fühlte mich sehr geborgen und habe eigentlich die ganze Zeit ein unbeschreibliches Kribbeln im Bauch gehabt, das ich bis zu diesem Moment weder kannte noch einordnen konnte.
Am nächsten Abend traf ich Reikje auf einer der zahlreichen Dünen und wir hatten einen sehr schönen Abend zu zweit mit Sekt und jeder Menge Romantik. Wir beobachteten erst den Sonnenuntergang und selbst als es dann dunkel war, hatte ich noch immer das Gefühl, das ich das Strahlen in ihren Augen sehen konnte. Einige mitgebrachte Windlichter flackerten um uns herum als sie in meinen Armen lag und wir uns das erste Mal geküsst haben. Es war ein Moment, den man nicht mehr aus seinem Gedächtnis streichen kann, weil er einfach viel zu schön war, um auch nur das kleinste bisschen davon zu vergessen.
Wir hatten drei sehr romantische Wochen in Vorupör, die vor allem von starken Gefühlen geprägt waren, von wahnsinniger Liebe, der ersten grossen Liebe.
Wir gingen essen, machten lange Strandspaziergänge und genossen, das was wir hatten, ohne einen Gedanken an Abschied oder Trennung zu verschwenden. Die Momente, die wir hatten, waren viel zu schön, um sie mit schmerzhaften Gedanken zu verschwenden.
Leider hat uns diese Liebe, dieses extreme Gefühl und die unglaubliche Romantik (die Vorupör für mich eh ausstrahlt) auch etwas blind gemacht und so vergaßen wir (oder besser gesagt verdrängten wir) jegliche Gedanken an Nummern- oder Adressaustausch. Wir hatten uns darauf geeinigt, das wir diesen Schritt, der eindeutig auf eine kurzzeitige Trennung hinwies, bis zum allerletzten möglichen Moment hinauszögern wollten. Wir waren uns einig, das unsere Liebe auch über die dänischen Grenzen hinaus bestehen bleiben sollte.
Am letzten Tag wollten sowohl meine Eltern als auch ihre den Heimweg um 12 Uhr antreten. Wir hatten uns also für 11 Uhr verabredet, um Adressen und Telefonnummern zu tauschen. Ihre Eltern hatten allerdings mitbekommen, das es einen Stau auf dem Weg zur Fähre gab, so das sie eventuell sogar Gefahr laufen könnten, diese zu verpassen. Und so beschlossen sie kurzerhand, schon um 10 Uhr zu fahren anstatt um 12 Uhr wie geplant. Das warf natürlich all unsere Pläne durcheinander. Der überstürzte Aufbruch zwang Reikje dazu, ihre Adresse und Telefonnummer nicht wie gedacht persönlich an mich weiterzugeben, sondern sie schrieb alles auf einen Zettel und legte diesen auf das Terassengeländer unter einen Stein.
Das weiss ich alles aus einer Erzählung der Nachbarn, die sich mit ihren Eltern recht gut verstanden hatten. Sie erzählten mir auch, das Reikje wohl bitterlich geweint hat, als sie ins Auto stieg und sich die Familie auf den Weg zur Fähre machte. Der Nachbar war schon an die 70 und nicht allzu gut zu Fuss und so konnte er auch nicht schnell genug reagieren als der Wind, der extrem angezogen hatte, den Stein von der Kante wehte und den Zettel mit der Adresse davontrug.
Als ich um 11 Uhr wie vereinbart am Haus der norwegischen Familie war, stand das Gebäude leer..kein wagen vor der Tür, keine Kleidungsstücke an den Haken im Flur, keine Lebensmittel auf der Theke der Küchenzeile und auch keine Reikje.
An diesem tag war dieses Haus so leer wie mein Herz. Einer der schmerzhaftesten Momente meines Lebens. Ich hätte nicht in einem einzigen Wort beschreiben können, was ich an diesem Tag gefühlt habe und wie schlimm sowohl die Heimfahrt als auch die nachfolgenden Wochen waren.
Ich habe versucht, sie ausfindig zu machen..aber wenn man nicht mal den Namen einer Stadt von einem Familiennamen unterscheiden kann, ist das fast unmöglich..Ausserdem hat Norwegen soviele kleine Dörfer, das es absolut unmöglich ist, dort eine einzelne Person zu finden. Außerdem könnte es ja durchaus sein, das Reikje ein absolut gängiger Name in Norwegen ist, sowie bei uns Markus oder Melanie.
Bis heute habe ich nie wieder etwas von ihr gehört und insgeheim hoffe ich das es ihr gut geht, sie glücklich ist und ein zufriedenes Leben führt so wie sie es verdient hat.
So schmerzhaft, dieser ungewollte Abschied war, so schön waren aber die gesamten 3 Wochen, nämlich eine der schönsten Zeiten in meinem Leben.
So, ich denke das dies kein Beitrag ist wie alle anderen hier, aber ich denke er ist würdig genug, die Nummer 200 zu sein, persönlich, sehr persönlich sogar..aber mal ganz ehrlich..Vorupör ist doch auch sehr persönlich, also passt es ja vielleicht doch irgendwie.
Grüßle
Andi