Die Weihnachtsjagd
Während der normale Faun nur eine gottähnliche Erscheinung der römischen Mythologie ist, kennen wir den Weihnachtsfaum als real existierendes Lebewesen. Auf einem Bein stehend, hat er die Form eines Kegels, sein Fellkleid ist stachelig und variiert in den Farben von grün über bläulich bis hin zu braun, wobei, wenn sein Fell braun aussieht, ist der Faum leider schon tot. In den meisten christlichen Haushalten ist es üblich, sich über Weihnachten einen oben genannten Weihnachtsfaum zu halten. Festlich geschmückt darf er dann die Wohnstube verschönern, in Kinderaugen einen strahlenden Glanz erzeugen und zu seinem Fuße die schönsten Geschenke für die ganze Familie bereithalten. Viele Tage lang kann man sich an ihm erfreuen, kann morgens, wenn man die gute Stube betritt, seinen würzigen Duft einatmen und sich einfach in seiner Gegenwart wohlfühlen. Bis zum 13. Januar, da ist er dann flugfähig und er fliegt davon, das nennt man dann Knut.
Leider ist es seit vielen Jahren üblich, sich nur noch nachgezüchtete Fäume vom Händler an der Ecke zu besorgen, einen frisch gefangenen Wildfaum sieht man nur noch selten. Diese Nachzüchtungen duften aber meistens nicht (hierfür haben findige Menschen die Duftkegel erfunden, wobei ich finde, dass die meisten Räucherkerzen nicht nach Tanne sondern eher nach Waldbrand, bestenfalls nach WC-Stein riechen) und sehen manchmal auch komisch aus. Es wird immer schwieriger einen schönen zu finden. Im letzten Jahr kam ich mit einem Exemplar von Kallis Schnäppchenmarkt nach Hause. Meine Sprößlinge meinten nur: „Ah ja!“ und Gudi sagte: „Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?“
In diesem Jahr sollte das anders sein! Gudi und ich beschlossen auf Weihnachtsfaumexpedition zu gehen, wir wollten auf die Jagd. In einem weit entfernten Land, weitab der Zivilisation, sollte es noch große Bestände von frei lebenden Weihnachtsfäumen geben. Dieses Land nennt man Sauerland. Wir bauten unser Auto um und nahmen alle hinteren Sitze heraus um einen möglichst großen Raum für unseren gefangenen Faum zu erhalten. Dann ging es los. Wir verließen heimische Gefilde und fuhren in Richtung Wildnis. Wir benutzten zuerst die legendäre Nord-Südpassage, auch A43 genannt. Hier hieß es äußerst wachsam zu sein! Die A43 ist die Heimat eines gefährlichen und tückischen Reptils, welches man Stauente nennt. Wenn man sich ihm unaufmerksam nähert, kann es sehr gefährlich werden.
Wir sind aber gut durchgekommen und erreichten nach langer Fahrt die letzten Aussenposten der Zivilisation, sprich die Siedlungen Gevelsberg und Schwelm. Von nun an gab es nur noch Wildnis. Auf schmalen, halsbrecherischen Pfaden, ging es stetig bergauf. Eine fahrerische Höchstleistung war geboten. Nach unendlich langen Fahrminuten erreichten wir das Eingeborenendorf, von wo aus wir unsere Jagd nach dem Faum beginnen wollten. Die Einheimischen dort nennen ihre Behausungen Höfe (komisch, die sind bei uns hinterm Haus) und der Stamm bei dem wir angekommen waren, nannte sich Tacke und so hieß die ganze Ansiedlung Tackes Weihnachtsfaumhof.
Ich wusste, dass man Fäume schlagen muss, also hatte ich mir extra dicke Handschuhe mitgenommen. Ok, keine Boxhandschuhe, aber doch richtig fette Arbeitshandschuhe. Gerade als wir uns nun auf den Weg machen wollten um die Weihnachtsfäume zu suchen, kam der Sohn des Häuptlings auf uns zu und er sprach ein paar unverständliche Worte zu mir, die wie: „Bü ge lsä ge“, klangen und er drückte mir ein gezacktes Schwert mit Henkel in die Hand. „Aha“, dachte ich, „die schlagen hier nicht die Fäume, sondern sie erstechen sie!“
So bewaffnet machten Gudi und ich uns auf den Weg. Es war beschwerlich. Von einem Weg konnte keine Rede sein. Große Mammutherden mussten hier durchgekommen sein und zwar bei heftigem Regen, der Pfad sah jedenfalls so aus und wir steckten bis zu den Knöcheln im Matsch, von Weihnachtsfäumen keine Spur. Wir erreichten ein Hochplateau, unter unseren Füßen eine weiche Bergwiese und ganz plötzlich waren sie da. Eine ganze Herde friedlich grasender Weihnachtsfäume.
Der Anblick der sich uns bot, war überwältigend. Fäume in allen Größen. Ausgewachsene Altfäume standen friedlich neben kleinen Babyfäumen. Langsam und vorsichtig bewegten wir uns durch die Herde. Es mussten hunderte, wenn nicht gar tausende Exemplare sein. Es ließ sich nicht vermeiden, dass wir hin und wieder das Fell der Fäume berühren, oder sie ein klein wenig beiseite schieben mussten. Manche von ihnen schlugen dann nach uns oder gossen aus ihrem Fell große Mengen von Regenwasser auf uns. Unsere Expeditionskleidung war eingesaut und patschnass...aber das machte nichts, wir hatten nur noch Augen für die Herde. Dann deutete Gudi auf ein besonders stattliches und schönes Exemplar und sagte: „Den!“ Ich machte mich bereit. Mein Zackenschwert in der rechten Hand und die behandschuhte Linke zum Greifen geöffnet, hechtete ich unter den Faum, umklammerte sein eines Bein und stieß mit dem Schwert zu, immer wieder, ritsch ratsch. Dann war es so weit, der Weihnachtsfaum konnte sich nicht mehr halten und fiel. Wir hatten ihn gefangen. Er tat mir ja ein wenig leid, nicht zuletzt wegen seiner zwei kleinen Jungfäume die nun traurig neben seinem verlassenen Platz standen. Aber so ist das nun einmal, wer am 13. Jänner fliegen will, muss vorher leiden. Unsere Beute machte es uns nicht leicht ihn zu unserem Fahrzeug zu bringen. Gudi und ich mussten kräftig zupacken. Der Faum schaukelte kräftig hin und her und versuchte uns umzustoßen, auf dem Weg mit der vermaledeiten Matsche wäre es ihm auch beinahe gelungen. Dann kamen uns die Eingeborenen zu Hilfe und umwickelten den Faum mit einem Netz. Nun konnte er sich nicht mehr bewegen und wir brachten ihn zum Auto...fast. Kurz bevor wir ihn in das Innere des Transportfahrzeuges befördern wollten, machte er noch einen Fluchtversuch und gab einen kräftigen Ruck von sich. Mein rechtes Bein rutsche auf dem Matsch weg und ich hätte abgehoben, wenn ich mich nicht an Gudi mit meiner freien, linken Hand festgekrallt hätte. Ich blieb stehen, min Frouwe nicht
. Dann war der Faum verstaut, alles war gut. Alles? Nein! Gudi und ich schauten uns an und in ihren Augen las ich was sie dachte: „Wir können doch die beiden Babyfäume nicht so einfach alleine dort stehen lassen!“ Gesagt getan. Zurück zur Herde und die beiden Zwerge suchen. Na ja, es brauchte seine Zeit bis wir sie fanden, aber dann kamen sie fast freiwillig mit uns mit, so als wären sie uns zugelaufen.
Wir wollten uns nun noch bei den Eingeborenen erkenntlich zeigen und sie mit ein paar bunten, bedruckten Papierblättchen erfreuen. Diese nahmen sie lachend und strahlend an und bedeuteten uns, dass wir nun auch noch in ihr großes Gemeinschaftshaus gehen müssten. Das taten wir dann auch. Im Innern dieses großen Langhauses war ein großer Kamin in dem lustig ein kleines Feuer brannte. An anderer Stelle qaulmte es auch. Über einem Holzfeuer wurde eine bananenförmige Speise gegart. Es war eine in einen Tierdarm gepresste Fleischmasse die da vor sich hin brutzelte. Ich musste davon probieren und...war begeistert, einfach lecker! An anderer Stelle gab es ein heiß gemachtes Getränk, welches sie Glüh fein nannten. Dieses Getränk bestand aus dem Saft von zerquetschten roten Trauben, der vorher wochenlang irgendwo rumgärte, aus Gewürzen und noch einigen anderen, geheimnisvollen Ingredienzen. Natürlich haben wir davon gekostet, Gudi etwas länger. Nach einem Blick in ihr Gesicht wusste ich, warum das Zeug diesen Namen hatte, ihr Gesicht glühte fein. An einem Tisch stand eine junge Eingeborene, eine Mutter mit ihrem Kind. Total erstaunt hörte ich sie zu ihrem Kind sagen: „Gehma nache Omma inne Küche!“ Ich war schlichtweg begeistert, die Eingeborenen sprachen unsere zivilisierte Sprache.
Aber alles Schöne hat auch mal ein Ende und so fuhren wir mit unseren (nun wieder vereinten) Weihnachtsfäumen zurück in die Zivilisation. Dabei gab es noch eine schöne Begebenheit, gerade als wir losfuhren, fielen vom Himmel kleine, weiße Eiskristalle, und im Inneren unseres Autos duftete es ganz wunderbar nach Weihnachtsfaum, einfach herrlich!
Selbstverständlich werden es unsere Fäume gut bei uns haben, wir haben extra neuen Schmuck für sie gekauft und ich bin sicher, dass sie sich wohl fühlen werden!
So, das war unsere Geschichte. Wie war/ist es bei Euch, habt ihr schon gejagt, oder lasst ihr jagen?
Ach ja, Preise, unsere gejagten Fäume haben zusammen 35 Euronen gekostet (Blautanne, nee Quatsch, Blaufichte wie ich belehrt wurde.).
Hilsen fra Herne
Ecki Ølbær